Pflegekatastrophe

 

Seit etwa drei Monaten erhalte ich täglich ein bis zwei telefonische Anfragen, weil Menschen aus meiner Gemeinde nach einem ambulanten Pflegedienst suchen. Nun bin ich einerseits seit über drei Jahren in Rente und habe zudem nie einen ambulanten Pflegedienst geleitet. Aber auf der Suche in allen möglichen Portalen treffen die hilfesuchenden Menschen immer wieder auf meine Kontaktdaten.

 

Ich muss sie dann leider enttäuschen. Ich frage dann aber oft nach, wo sie es bisher versucht haben und dabei wird sehr deutlich:
Die PFLEGEKATASTROPHE ist endlich auch im häuslichen Bereich angekommen. Die Menschen suchen verzweifelt nach Pflegediensten, werden aber abgewiesen, weil die Kapazitätsgrenzen der Pflegedienste vollkommen ausgeschöpft sind. Sie können der steigenden Nachfrage einer älter werdenden Gesellschaft nicht nachkommen. Hinzu kommt, dass immer mehr Pflegedienste (also nicht nur Krankenhäuser und Altenheime) Pflegekräfte verlieren. Vor dem Hintergrund der schlechten Personalausstattung und einer eher bescheidenen Bezahlung verlassen immer mehr Pflegekräfte den Beruf. Außerdem verlieren die Dienste die nun ins Rentenalter kommenden Babyboomer.

 

Ich rate den Anfragern, es weiter zu versuchen und auch stationäre Unterbringung mit ins Auge zu fassen, bin dann heilfroh, wenn sie sagen, dass eine Vorsorgevollmacht besteht, so dass die Angehörigen handlungsfähig bleiben. Auch rate ich dazu, die Nachbarschaft und Freunde sowie die Familie stärker miteinzubeziehen, wohlwissend, dass es oft nicht geht oder sehr schwierig ist.

 

Diese Katastrophe ist mit Blick auf die Pflegeberufe selbstverschuldet, da die Pflegekräfte es nie geschafft haben, sich in Gewerkschaften oder Kammern zu organisieren und so der Willkür von Politik und Arbeitgebern ausgeliefert blieben. Natürlich ist diese Katastrophe auch ein Versäumnis verantwortlicher Politiker, allen voran, Rösler, Gröhe, Spahn. Die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen müssen zunehmend setzen auf Nachbarschaftshilfe und Familie. Und da spielen sich – meist unentdeckt von der Öffentlichkeit – dann noch mal weitere Katastrophenszenarien ab.

 

Ich kann nur heute an die Politik appellieren, schnellstmöglich gegenzusteuern und ich sage dazu: Das wird richtig Geld kosten! Wir haben eben neben der Pandemie, der Klimakrise und der hinterherhinkenden Digitalisierung auch ein medizinisch-pflegerisches Versorgungsproblem.
Ich kann der Berufsgruppe nur empfehlen, endlich den Widerstand gegen Pflegekammern aufzugeben und in eine Gewerkschaft einzutreten. Anders sind Interessen und notwendige Reformen nicht umzusetzen. Auf die Politik zu hoffen ist naiv.

 

Vor allem aber kann ich jungen Menschen, die eine Ausbildung machen wollen, nur raten:
Wenn ihr einen sinnstiftenden, erfüllenden und vor allem für die nächsten 40 Jahre KRISENSICHEREN Job sucht, dann macht eine Pflegeausbildung.
Warum:
1. Das ist absolut krisensicher!
2. Das ist eine vielseitige, sinnvolle und erfüllende Aufgabe.
3. Die Bezahlung wird in den nächsten Jahren deutlich besser werden, denn sonst macht keiner mehr den Job. Die Weichen dafür sind gestellt und 4000,- € Einstiegsgehalt sind nicht unrealistisch!
4. Die in der Branche Verantwortlichen werden nicht länger zulassen (können), dass ihre MitarbeiterInnen unter unzureichenden Planstellenvoraussetzungen und Rahmenbedingungen arbeiten müssen. Der Druck nach oben wird wachsen und es werden mehr Stellen geschaffen und bezahlt werden müssen.

 

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