Nach dem Krieg

 

 

Enkel:
Opa, was ist nach dem Krieg?

 

Opa:
Ich will hoffen, dass dann endlich Frieden ist.

 

Enkel:
Für immer?

 

Opa:
Das kann man nicht wissen. Du weißt ja, dass sich Menschen und Staaten immer wieder streiten.

 

Enkel:
Aber Opa, ist denn Streiten Krieg?

 

Opa:
Nein und ja! Ja, weil man sich uneinig ist. Nein, weil Streiten kein Krieg ist. Krieg ist gewaltsam. Streiten tut man sich nur mit Worten.

 

Enkel:
Dann könnte man doch auf den Krieg verzichten, Opa, wenn man sich einfach nur streitet.

 

Opa:
Manchmal muss aber Gewalt angewendet werden und das kann zu Krieg führen.

 

Enkel:
Du sagst aber doch immer, Gewalt sei keine Lösung.

 

Opa:
Nun ja, wenn dich jemand angreift und dir weh tun will, dann würde ich gewaltsam einschreiten, um dich zu beschützen.

 

Enkel:
Wie denn, Opa?

 

Opa:
Nun ja, ich würde den Angreifer festhalten und ihm deutlich sagen, dass man nicht schlagen darf.

 

Enkel:
Und wenn der Angreifer eine Waffe hat und stark ist?

 

Opa:
Dann -, dann würde ich schnell Hilfe holen oder wenn es nicht anders geht, dich nehmen und weglaufen.
Wenn ich eine Waffe hätte, würde ich Die einsetzen und dich verteidigen. Aber dich greift ja doch keiner an, oder?

 

Enkel:
Doch! In der Schule will der Martin immer kämpfen und neulich hat er mich geboxt. Das tat richtig weh. Seitdem geh ich ihm aus dem Weg. Ich hab´ aber Angst, dass er mich mal erwischt. Der ist nämlich stark, stärker als ich.

 

Opa:
Na, dann müssen wir mal sehen, dass du auch stärker wirst und dich wehren kannst. Mit Judo, oder so.

 

Enkel:
Oder du würdest mir eine Waffe geben, so dass ich mich verteidigen kann?

 

Opa:
Nein, das würde ich nicht tun!

 

Enkel:
Warum nicht, Opa?

 

Opa;
Weil die Gefahr viel zu groß ist, dass du ihn, er dich oder ihr euch beide schwer verletzt. Da können beide verlieren. Das Risiko ist zumindest viel zu groß.
Am besten, es gäbe gar keine Waffen. Oder man würde „Waffen haben“ verbieten. Man weiß nämlich nie, ob man die Waffe mal falsch oder zu früh einsetzt.

 

Enkel:
Aber die Deutschen geben doch Waffen den Ukrainern, damit sie sich verteidigen können? Müssten die Deutschen denn dann nicht auch allen anderen, die angegriffen werden, Waffen liefern?

 

Opa:
Ja, leider.
Zumindest freut sich die Waffenindustrie…

 

Enkel:
Is Judo keine Waffe?

 

Opa:
Jein. Judo ist Selbstverteidigung; es gibt noch andere Arten der Selbstverteidigung. Karate, Aikido und so.

 

Enkel:
Dann möchte ich auch Judo lernen oder Aikido.

 

Opa:
Noch besser oder zusätzlich gut wäre es, wenn man jedem Streit aus dem Weg geht.

 

Enkel:
Aber Opa, das geht nicht. Irgendwann kommt man mit irgendeinem Angreifer zusammen. So wie dem Martin. Da muss man sich doch wehren können.

 

Opa:
Ja, da hast du wohl recht. Man sollte sich verteidigen können. Aber wenn man´s nicht kann, dann ist man manchmal klüger nachzugeben.

 

Enkel:
Opa, warum greifen Menschen denn andere Menschen mit Waffen an?

 

Opa:
Na, du fragst Sachen. Da gibt es viele Gründe.

 

Enkel:
Wenn es Gründe gibt, dann muss man die Gründe doch verstehen. Ich versteh aber nicht, warum der Martin mich immer boxen will.

 

Opa:
Vielleicht hat er schlechte Vorbilder und er kennt es nicht anders. Oder er ist traurig oder wütend und lässt die Wut an dir aus. Oder er hat einfach Spaß am Boxen.

 

Enkel:
Das find ich aber doof. Vor allem, wenn man Schwächere schlägt.

 

Opa:
Wenn er es bei Stärkeren versuchen würde, dann würde er verlieren und die Lust verlieren. Deswegen ist es gut, wenn man sich verteidigen kann. – Und-, vielleicht täte es dem Martin gut, wenn er seine Wut anders austoben könnte! Im Sportverein oder so.

 

Enkel:
Ja, das werde ich ihm mal sagen, wenn er wieder anfangen will: ER soll seine Kraft nicht an Schwächeren auslassen, sondern im Sport beweisen.

 

Opa:
Sehr gute Idee! Aber hoffentlich macht ihn das nicht noch wütender?

 

Enkel:
Aber wenn man sich als Staat verteidigt, dann ist doch Krieg. Dann ist also Krieg gerechtfertigt?

 

Opa:
Nein, aus meiner Sicht nicht, aber das sehen andere ganz anders. Russland führt Krieg, weil es sich bedroht fühlt. Und die Ukraine verteidigt sich, weil sie ihre Entscheidungsfreiheit behalten will.

 

Enkel:
Wenn man sich bedroht fühlt, wendet man also Gewalt an.
Und wehrt sich, weil man frei sein will?

 

Opa:
Nicht immer wenden Leute, die sich bedroht fühlen, Gewalt an. Nur wenn die Bedrohung sehr groß ist und es für den Bedrohten gefährlich wird.

 

Enkel:
Was war denn die Bedrohung, die die Russen gefühlt haben?

 

Opa:
So genau weiß ich das auch nicht, aber die hatten eben das Gefühl, dass man ihr Land angreifen wollte.

 

Enkel:
Aber dazu muss man ja nicht gleich Krieg führen. Das kann man doch sagen, dass man sich bedroht fühlt und nicht angegriffen werden möchte.

 

Opa:
Das haben die ja gesagt, aber die andern haben das einfach abgetan.

 

Enkel:
Die ham dem nicht geglaubt, dem Putin? Warum glauben die dem denn nicht, dass er Angst hat?
Oder ist das gar nicht so?

 

Opa:
Doch die Furcht ist schon da, aber ob sie berechtigt ist, daran kann man zweifeln.

 

Enkel:
Wenn ich mich fürchte, Opa, dann bist Du doch da und tröstest mich und zeigst mir, dass ich mich nicht fürchten muss. Können die andern dem Putin nicht sagen, dass er sich nicht fürchten muss?

 

Opa:
Das sagen die ihm ja, aber er glaubt ihnen nicht.

 

Enkel:
Warum glaubt Putin den andern nicht?

 

Opa:
Vielleicht ham die andern ihn zu oft enttäuscht, so sieht er das wohl.

 

Enkel:
Weil sie denken, dass er böse ist?

 

Opa:
Ja, so wie der Putin sich aufführt, ist er schon irgendwie böse!

 

Enkel:
Also ist der Putin böse, und der Ukrainer der Gute?

 

Opa:
Wer weiß schon, wer gut und wer böse ist? Auf jeden Fall wollte der Ukrainer den Krieg nicht.
Das ist schon mal gut.

 

Enkel:
Opa, du bist für mich ein Guter. Aber wie sehen denn Böse aus?
Ist Krieg führen, böse?

 

Opa:
Ja Krieg führen oder anzetteln ist – bö…, nee, dumm!

 

Enkel:
Sind die, die Krieg führen, dumm?

 

Opa:
Ich weiß nicht, die sind eigentlich sehr klug und intelligent, sehr intelligent sogar, meist noch sehr gebildet, aber sie sind trotzdem – irgendwie – - dumm.

 

Enkel:
Man kann also dumm sein, trotzdem man gebildet, intelligent und klug ist?

 

Opa:
Ja, das gibt’s leider – zu häufig. Sonst gäbe es oft andere Wahlergebnisse.

 

Enkel:
Dann ist also das Böse so was wie Dummheit?

 

Opa:
Ja, vielleicht schon.

 

Enkel:
Kann man gegen Dummheit denn nichts tun?

 

Opa:
Doch schon; man kann aufklären, sich informieren, versuchen andere zu verstehen und aufeinander zu achten.

 

Enkel:
Das alles wird nicht getan?

 

Opa:
Doch, aber nicht alle schauen genau hin oder glauben Recht zu haben, obwohl sie etwas zu wissen glauben, aber eigentlich nicht genau wissen. Sie verwechseln Wissen mit Meinen. Das ist dumm. Die Dummheit zu erkennen, das wäre eine Wissenschaft für sich…

 

Enkel:
Alle sagen doch, dass der Putin böse ist, weil er Krieg führt. Wenn der Ukrainer sich nicht wehren würde, wär´s dann noch Krieg?

 

Opa:
Nein, aber es wäre unrecht und würde den Ukrainern die Freiheit nehmen.

 

Enkel:
Wenn sie sich wehren, ist Krieg und es sterben Menschen. Wenn sie sich nicht wehren, dann sterben keine Menschen, aber sie sind unfrei? Also ist Freiheit für die wichtiger als Leben!
Aber was nützt den Menschen die Freiheit, wenn sie sterben?

 

Opa:
Ja, das ist ganz schön vertrackt, man muss sich zwischen Leben und Freiheit entscheiden.

 

Enkel:
Ich jedenfalls möchte leben und möchte, dass alle leben. Nur lebend kann ich ja frei sein.

 

Opa:
Und ja, die Lebenden könnten versuchen die Freiheit wieder zu erlangen, indem sie den Feinden klar machen, dass sie keine Angst haben müssen und dass sie das falsch sehen.
Aber ob der Feind wirklich böse oder dumm ist, wissen tut´s keiner, oder doch: Vielleicht in hundert Jahren.

 

Enkel:
Also erfahren wir die Wahrheit erst in hundert Jahren, aber was machen wir jetzt?

 

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