Der Wert unseres Lebens

Das Bruttoinlandsprodukt beschreibt den Wert aller Güter und Dienstleistungen, die von In- und Ausländern innerhalb eines Landes produziert werden.

Bis heute gilt es fast allen politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen als DIE Kennzahl für Wohlstand als dem Parameter für das Glück und die Zufriedenheit einer Bevölkerung. Angesichts der Folgen eines ungehemmten Wachstums, das damit einhergehen soll, stellt sich vielen Menschen vor allem im Wissenschaftsbetrieb die Frage, ob dieser Parameter stimmig ist, ob er noch zeitgemäß ist und nicht gar am Ziel vorbeiführt!

„How to pay for the war.“  Das war die Ausgangsfrage, die zu der entsprechenden Kennzahl führte!

1941 wurden auch die USA in den 2. Weltkrieg hineingezogen und mussten gewaltige Mittel in die Kriegsproduktion stecken, wie heute in den Krieg in der Ukraine. Da das Geld, das für den Krieg benötigt wird, den normalen Menschen nicht mehr zur Verfügung steht, sinkt aber das Einkommen der Bevölkerung. Energiepreise steigen und die Inflation frisst am persönlichen Wohlstand der meisten Menschen.

Das Narrativ, das Wachstums der Bevölkerung zugutekommt, ist gefährdet. Aber die Administration fand 1941 einen Ausweg: Im Krieg legt die US-Wirtschaft den Fokus auf die Produktion. Und die steigt im Krieg immer weiter an. Also kann die Regierung positive volkswirtschaftliche Bilanzen präsentieren, auch wenn es der Bevölkerung nicht unbedingt besser geht. Seither wurde diese Messlatte für Wohlstand nie ernsthaft angezweifelt. Bestenfalls erst linke Gruppierungen in den 60er und 70er Jahren, dann der Club of Rome und zuletzt eher grüne Bewegungen ließen erste Zweifel aufkommen.
Sprachen die Linken noch von Konsumterror, der Club of Rome vom Ressourcenraub und den Bruttosozialschäden, so wird zunehmend deutlich, dass die Orientierung an dieser Messgröße die Menschheit ins Verderben laufen läßt.

Die ständige Ankurbelung eines Wirtschaftswachstums vergrößert zudem die sozialen Unterschiede und ist nachweisbar schädlich für die Umwelt. Mehr Wachstum gleich mehr Produktion gleich mehr Arbeitsplätze. Mehr „Wohlstand für alle“, so noch die Devise von Ludwig Ehrhard. Weil die Menschen von ihr ableiten, wie es um ihren Job und ihren Wohlstand steht, hatte diese eine Zahl ihre magische Wirkung entfaltet.

Durch das Wachstum vermeidet die Politik aber die Debatten zu führen, die wehtun, nämlich Verteilungsfragen und die Frage nach unserer Gesellschaft, wie wir sie haben wollen, wo Menschen sich wohlfühlen in einer Welt ohne ständigen Druck und immer höherer Geschwindigkeit.

Die Fixierung auf eine Zahl, die keinen Unterschied macht zwischen klimaschädlichen Kohlekraftwerken oder Erzeugern regenerativer Energien, eine Zahl, die steigt, wenn irgendwo ein Auto gegen einen Baum fährt und repariert werden muss, eine Zahl, die nicht berücksichtigt, wenn Menschen neben ihrer Arbeit Angehörige pflegen oder Kinder erziehen, eine solche Zahl führt in die Irre und lässt am Ende die Menschheit vor die Wand fahren.

Wohlstand darf sich nicht (allein) an technologischen oder wirtschaftlichen Wachstum bemessen, sondern moderne Begriffe wie Nachhaltigkeit, Saisonalität, Regionalität, Gesundheit, Kriminalitätsrate, Klimaneutralität müssen schnellstmöglich integriert werden.
Wir sind nicht dadurch glücklicher, dass wir Erdbeeren aus Argentinien zu Weihnachten „günstig“ einschiffen lassen, dabei ignorierend, zumindest vergessend, dass Kosten - abgesehen vom unnötigen Aufwand - für Co2, Umweltschäden und Stress nicht eingepreist sind.

Wir müssen beginnen, den Wert unseres Lebens neu zu messen!

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